Die Talsperren der Nordeifel

100 Jahre Wasserverband Eifel - Rur
von Herbert Polczyk 1999

Die mit dem Bau der Urfttalsperre im Jahre 1900 begonnene fast 100-jährige Talsperrengeschichte in der Nordeifel ist eng verknüpft mit dem 100-jährigen Bestehen wasserwirtschaftlicher Gesellschaften und Verbände.

Anlässlich der Errichtung der Urfttalsperre wurde am 28. März 1899 die Rurtalsperrengesellschaft GmbH Aachen gegründet. Die Zusammenführung mit dem 1934 gegründeten Wasserverband Schwammenauel und mit der Übernahme der Aufgaben des 1932 gegründeten Wasserverbandes Stausee Obermaubach führte am 1. Januar 1969 zur Gründung des Talsperrenverbandes Eifel - Rur. Die Zweckbestimmung dieser Verbände war im wesentlichen auf das Talsperrengeschehen im Einzugsgebiet der Rur ausgerichtet.

Der Wasserverband Eifel - Rur wurde per Gesetz vom 7.2.1990 zur Durchführung umfassender wasserwirtschaftlicher Aufgaben gegründet. 


Die Rur

Die Eifel - Rur entspringt in Belgien, in den Höhen des Wallonischen Venn und erreicht nach kurzer Fließzeit bereits die deutsche Grenze. Der Oberlauf liegt im Mittelgebirge (Nordeifel), der Mittellauf im Flachland (der Düren/Jülicher Börde), der Unterlauf im "Heinsberger Tiefland". Nach 150 km Fließlänge erreicht die Rur niederländisches Gebiet und mündet bei Roermond ("Rurmündung") in die Maas.

Die Rur ist ein typischer Mittelgebirgsfluss mit einem sehr unausgeglichenen Abflussverhalten. Das Verhältnis der Abflusswerte kann im Extremen bei Trockenwetter- und Hochwasserabfluss im Verhältnis 1:1000 bis 1:2000 schwanken.

Am Pegel Dedenborn (Zuflusspegel zur Rurtalsperre Schwammenauel) wurden z.B. im August 1996 130 L/sec abfließendes Wasser gemessen; im Dezember 1947 wurden dagegen 242 m³/sec Hochwasserabfluss festgestellt.

Die Gründe für diese unausgeglichenen Abflusswerte liegen zum einen in der Topographie - in dem Gebiet vorherrschend sind steile Hänge und große Talgefälle -, zum anderen in der Geologie - über dichtem Grundgebirge liegt eine nur dünne Bodendecke mit geringem Speichervermögen.

Die Folge waren demgemäss häufig auftretende Hochwasser, die im Unterlauf der Rur oft über 1000 m³/s hinausgingen. Die gegensätzliche Folge wurde in niederschlagsarmen Zeiten sichtbar, wenn die Abflüsse auf vergleichsweise 1 m³/s zurückgingen.

Die guten Lössböden in der Ebene werden seit altershehr intensiv landwirtschaftlich genutzt. Das dazu benötigte Wasser wurde der Rur und ihren Zuflüssen entnommen. Infolgedessen hatten die Bauern gegen eine kurzfristige Frühjahrsüberstauung ihrer Äcker auch nichts einzuwenden, sie warteten sogar darauf. Die reißenden Hochwasserfluten ließen es aber dabei nicht bewenden: Uferböschungen und anschließende Terassen wurden fortgeschwemmt. Der Fluss änderte dadurch fast jährlich seinen Lauf.

Auch Gewerbe und Industrie hatten unter dem unausgeglichenen Wasserdargebot zu leiden. Betroffen waren vor allem die Papier- und Textilfabriken, die schon seit Jahrhunderten an der Rur wegen ihres weichen Wassers von nur 2° dH angesiedelt sind. 

Sie benötigen das Wasser ebenso wie die Zucker- und Chemiefabriken nicht nur als Produktionsstoff - der unmittelbar der fließenden Welle oder mittelbar als Uferfiltrat über Bodengalerien entnommen wurden -, sondern wie die übrigen Betriebe auch als Energieträger. Witterungsbedingte Einstellungen des Produktionsbetriebes waren die Regel. Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen setzte somit auch die Bewältigung wasserwirtschaftlicher Unabwägbarkeiten, die die Rur mit sich brachte, voraus.

Auf Oberflächenwasser angewiesen ist aber auch die öffentliche Wasserversorgung, weil Grundwasser - wie zuvor erläutert - aus geologischen Gründen in weiten Teilen des Niederschlaggebietes der Rur nicht in ausreichendem Maß vorhanden ist.

Vor diesem wasserwirtschaftlichen Hintergrund entstanden in den letzten 100 Jahren in der Nordeifel insgesamt 9 Talsperren mit einem Gesamtstauraum von rund 302 Mill. m³. Von diesen 9 Talsperren sind 6 im Besitz des Wasserverbandes Eifel - Rur.

Diese Talsperren bzw. ihr Betrieb im Verbund ermöglichen die Erfüllung der eingangs genannten Aufgaben wie folgt:

Talsperrennutzungen

  • Hochwasserschutz Von dem gesamten Stauraum von 300 Mill. m³ stehen knapp 70 Mill. ausschließlich dem Auffangen von Hochwasserwellen zur Verfügung. So kann die theoretische Hochwasserspitze in Schwammenauel von 450 m³/s durchweg auf 50 bis 60 m³/s abgemindert werden. Beim letzten bedeutenderen Hochwasser 1995, als an Rhein und Maas zum Teil katastrophenartige Hochwasserzustände zu verzeichnen waren, wurde durch Reduzierung der Rurwelle von 130 m³/s auf 50 m³/s in der Spitze weiteres Ungemach verhindert.

  • Niedrigwasseranreicherung oder Wasserausgleich Die Nutzräume der Talsperren sind so bemessen, dass fast ein Vollausgleich erreicht wird. Das rechnerische Niedrigwasser von 450 L/s kann in Obermaubach auf 10 m³/s aufgehöht werden. Während der letzten Trockenperiode im Sommer und Herbst 1996 zeigte das Talsperrenverbundsystem unauffällig seine Wirksamkeit. Der im Juli bis Oktober z.T. deutlich unter 1000 L/s liegende Zufluss konnte auf mindestens 5000 L/s ab Obermaubach aufgehöht werden. Gleichzeitig konnte die Bereitstellung von Rohwasser für die Trinkwasseraufbereitung jederzeit sichergestellt werden, ohne das restriktive Maßnahmen zur Wassereinsparung erforderlich wurden. Lediglich der Anblick freiliegender Böschungsflächen an nicht "normal" gefüllten Speicherbecken und fehlender Segelschiffe auf der Rurtalsperre Schwammenauel deuteten auf eine ungewöhnliche wasserwirtschaftliche Situation hin.

  • Bereitstellung von Wasser für die Trink- und Brauchwasserversorgung Für die unmittelbare Entnahme zur Trink- und Brauchwasserversorgung können aus den 9 Talsperren jährlich über 80 Mill. m³ Wasser bereitgestellt werden. Dies gilt nicht nur für den Eifelbereich, sondern vor allem für den Aachener, Dürener, Heinsberger Raum mit Bevölkerung und Industrie. Von den rund 1. Mill. Menschen im Einzugsgebiet der Rur sind 600 000 auf die Trinkwasserversorgung aus den Talsperren angewiesen. Darüber hinaus werden unmittelbar aus der fließenden Welle unterhalb der Talsperren jährlich bis zu 100 Mill. m³ für die Brauchwasserversorgung entnommen.

  • Energieerzeugung Beim Bau der Urfttalsperre noch ein wesentlicher und wirtschaftlicher Faktor zur Realisierung und Finanzierung des ersten Talsperrenprojektes, der Urfttalsperre (gleichzeitig wurde das "Jugendstilkraftwerk Heimbach" errichtet) spielt sie heute eine untergeordnete Rolle, da im Mitteljahr nur rund 60 Mill. kWh aus der Wasserkraft erzeugt werden.

  • Freizeitsport Bei Planung und Bau der Talsperrenanlagen - sicherlich ohne Bedeutung -, nehmen Wassersportarten heute einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert ein, dem der Talsperrenbetrieb nur bedingt Rechnung tragen kann. Hoheitliche Aufgaben, wie unter den vorgenannten Nutzungen dargestellt, haben vorrangige Bedeutung vor Freizeitsport; hygienische Ansprüche für Trinkwasserspeicher sind wichtiger als Badefreuden. So kann nur der Hauptsee der Rurtalsperre Schwammenauel weitestgehend für Wassersportzwecke genutzt werden. Fahrgastschiffe verkehren hier regelmäßig; über 2000 Liegeplätze für Segel- und Ruderboote sowie regelmäßige Regatten haben ihn zu einem bekannten Binnengewässer werden lassen.

Talsperrenverbundsystem

Alle Talsperren oberhalb Obermaubach bilden ein zusammenhängendes Talsperrensystem, welches nach einheitlichem Plan bewirtschaftet wird und dessen zentraler Mittelpunkt die Rurtalsperre Schwammenauel als Hauptausgleichsspeicher ist. 

Noch außerhalb des Systems liegt die Wehebachtalsperre, jedoch werden auch hier schon Überlegungen angestellt, durch Beileitungsstollen aus dem Kall- und Dreilägerbach - Einzugsgebiet weitere Systemoptimierungen zu erreichen. Weitere Verbundmöglichkeiten mittels künstlich zu schaffender Verbindungsstollen zwischen der Oleftalsperre, der Kalltalsperre und der Wehebachtalsperre werden zur zeit diskutiert. Hierdurch soll die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser auf hohem Qualitätsstandard auf Dauer sichergestellt werden.

Das Staubecken von Obermaubach

In den gleichen Zeitraum der Planung des Staubeckens Heimbach fiel die vollständige Umstellung in Planung und Bauausführung zugunsten der Staudämme. So wurden in den Jahren 1933 bis 1935 - gleichzeitig mit dem Staubecken Heimbach - das Staubecken Obermaubach, die Kalltalsperre und in den Jahren 1934 bis 1938 als Kernstück des Talsperrensystems der Nordeifel die erste Ausbaustufe der Rurtalsperre Schwammenauel errichtet.

Das Staubecken Obermaubach besteht im wesentlichen aus einem 200 m langen Erddamm von 5 m Höhe, in den eine Wehranlage integriert ist. Die Wehranlage besitzt analog zum Staubecken Heimbach eine Klappenkonstruktion, die aufgrund der Länge von 36 m zweigeteilt ist. Die Höhe beträgt 4 m. Als Absperrbauwerk wurde ein Erddamm mit schrägliegender Lehminnendichtung, die sich auf den Stützkörper auflegt, gewählt. Der Stützkörper wurde hierbei aus örtlich gewonnenem Flusskies und Fels hergestellt.

Die Dichtung ist örtlich gewonnener Auelehm. Der Anschluss an den Untergrund wurde mittels Stahlspundwand mit Lehmvorlage, die bis auf den Fels hinunterreichen, hergestellt.